MS Amera Kurswechsel: Aus Kreuzfahrt wird Transferfahrt

Sonne über dem Atlantik auf Höhe der Kanarischen Inseln / Foto: madle-fotowelt.de

Kurswechsel mit der MS Amera zwischen Brasilien und Bremerhaven

Dieser Beitrag nimmt Euch mit auf einen Kurswechsel an Bord der MS Amera. Er schildert die Ereignisse an Bord der MS Amera, als die Reise von einer regulären Kreuzfahrt zu einer Transferfahrt wurde.

Während der gesamten Reise waren wir durch die Schiffsführung stets gut informiert, auch wenn durch die verkürzte Darstellung im Beitrag ein anderer Eindruck entstehen könnte. Wir danken bereits an dieser Stelle den vielen Beteiligten des Phoenix Teams, an Bord und in der Zentrale in Bonn, für ihre engagierte Arbeit. Kein Gast kann den Aufwand hinter den Kulissen nachvollziehen, welcher hier nicht nur für die MS Amera, sondern parallel für die gesamte Flotte geleistet wurde.

Alles ganz normal

Wir starteten am 23. Februar 2020 in Richtung Südamerika. Von Buenos Aires sollte uns unsere Reise an der Ostküste entlang bis hinauf in den Amazonas führen. Die Nachrichten aus Wuhan und die Corona-Krankheitsfälle auf zwei Kreuzfahrtschiffen in Japan und Hongkong sorgten uns nicht. Es war doch alles so weit entfernt.

Die Themen an Bord kreisten um die Bereiche Wetter, Ausflugsplanung und dem Unterhaltungsprogramm. Ein Highlight war dann auch zunächst die Karnevalsparty am Rosenmontag. Im TV lief, neben den Social Media Kanälen, lediglich die Tagesschau als Informationsquelle.

Wir genossen die Stimmung und der Urlaubsmodus stellte sich langsam ein.

MS Amera vor Buenos Aires / Foto: Redaktion CruiseStart

Der Wandel von Rio de Janeiro

Von Tag zu Tag verdichteten sich die Nachrichten aus der Heimat zu einem Szenario, welches uns vielleicht doch betreffen könnte. Erste Diskussionen zeigten unterschwellig Ängste, welche jedoch noch nicht fassbar waren. Das primäre Thema lag weiter in der Planung der nächsten Ausflüge.

  1. März 2020 – Tag 12 unserer Reise. Wir kehrten am Nachmittag von unserem Ausflug in Rio de Janeiro zurück. Mit uns lag die Costa Pacifica im Hafen, welche nun mit Kurs Karibik auslief. Auch wir verließen an diesem Abend die Traumstadt am Zuckerhut, genossen das Abendessen und das Showprogramm.

Nach einem Seetag empfingen wir wieder das Telefonnetz vom Land. Wir erreichten Salvador de Bahia. Bis zu diesem Tag hatten wir darauf verzichtet das bordeigene Satellitennetz zu nutzen. Alles hatte sich in nur einem Tag verändert. Die Häfen in der Karibik wurden geschlossen. Costa rief seine Schiffe in die Heimat zurück. Ein letztes Mal lagen wir mit der Costa Pacifica im Hafen. Der Shutdown in der Kreuzfahrt aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus war in vollem Gange.

Themenwandel

Neben dem Programm des nächsten Tages war nun ein neues Thema präsent und nahm mehr und mehr Raum in den Gesprächen ein. Neben Fakten munkelte man, dass an den Bars auch mit Gerüchten gehandelt wurde. Die Diskussionen trieben merkwürdige Blüten, welche wir an dieser Stelle nicht konkretisieren. Sagen wir mal so, wenn es an Informationen mangelt neigt, der Mensch dazu auf seine Fantasie zurück zu greifen.

Die Ausflüge und die Abendprogramme wurden unverändert durchgeführt. Gefühlt waren wir nach wie vor nicht betroffen.

Wir sind nun doch betroffen – oder?

Freitag, 13. März 2020 – Der Grund der Reise, die Kreuzfahrt zu den Traumzielen Südamerikas, war mittlerweile für manche Gäste Nebensache. Auch wenn morgens der Wecker klingelte und wir die Busse bestiegen, wurde jede Möglichkeit genutzt Nachrichten aus der Heimat zu lesen. Und diese überschlugen sich inzwischen mit schlimmen Schlagzeilen.

Dann kam das erwartete Update der Schiffsführung. Seit wir am 29. Februar den ersten brasilianischen Hafen, Rio Grande do Sul, erreicht hatten, galten wir als sicheres und gesundes Schiff. Um diesen Status aufrecht zu erhalten und dem laufenden Shutdown im Kreuzfahrtbereich, werde es in Manaus keinen Passagierwechsel geben. Auch der geplante Teil-Crewwechsel entfalle.
Gleichzeitig sei noch nicht sicher, ob die Reise ab Manaus wie geplant fortgesetzt werden könne, da die Häfen in der Karibik überwiegend bereits geschlossen seien. Statt dem Rückflug gab es nun das Angebot für 75€ p.P./Tag an Bord zu bleiben.

Man sollte meinen, dass die Nachricht wie eine Bombe eingeschlagen sei und die Diskussionen weiter anheizen würde. Nein – es herrschte erst einmal Ruhe. Die Gespräche bewegten sich um das Thema – wer macht nun was?

Einige Gäste entschieden sofort an Bord zu bleiben, andere wollten den gebuchten letzten Teil stornieren. Die Reise ging weiter und wir fuhren in den Amazonas ein.

Was soll das denn?

Am 16. März gingen wir vor Santarem auf Reede. Der Ausflug auf den Maica See stand auf dem Programm, ein beindruckender Tag mit Sichtung von Delfinen und der wundervollen Landschaft des Amazonas. Das Highlight war jedoch sicher, dass wir Piranhas geangelt haben. Zurück auf dem Schiff lichteten wir die Anker und fuhren weiter zum Nahen Alter do Chao. Dort sollten wir über Nacht auf Reede gehen. Sollten!

Das Schiffssignal für die Borddurchsage ertöte während des Abendessens. „Die örtlichen Behörden haben das Ankern untersagt. Aus diesem Grund nehmen wir nun direkt Kurs auf Manaus.“, tönte es aus den Lautsprechern mit einer enttäuschten, überraschten Stimme.

Uns war klar, dass diese Information auch die Schiffsführung unerwartet getroffen hatte.

Shutdown-Ankündigung auf dem Amazonas

Für die Strecke bis Manaus benötigten wir einen Flusstag. Bereits am Mittag wurde eine Informationsveranstaltung in der Atlantik-Show-Lounge angekündigt. Die Gefühle schwankten zwischen Erwartung und Ungewissheit, als wir uns auf den Weg machten. Auf der Bühne hatte sich die Schiffsführung versammelt.

Der Kapitän und der Kreuzfahrtdirektor teilten uns mit, dass der Gouverneur von Amazonien (Wilson Lima) kein Verlassen des Schiffes zulassen werde. Somit sei auch der Transfer zum Flughafen ausgeschlossen. Alle Passagiere würden an Bord bleiben und mit dem Schiff nach Hause fahren. Der Schiffsarzt bat darum Medikamentenbedarfe im Hospital anzumelden. Der Hotelmanager verkündete, dass trotzdem Verpflegung geladen werde.

Eine letzte Chance bestehe noch, nach der Prüfung durch die örtlichen Behörden am Folgetag. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits eine Fernsehansprache des jungen Politikers, in welcher er verkündet hatte, dass durch die Amera keine Gefahr drohe, da er niemanden an Land lasse.

Das Schicksal der Gäste war nun vorbestimmt. Eine thematische Stille in den abendlichen Runden war eingetreten. Spekulationen fanden ein Ende. Die vereinzelten Stimmen nach der letzten Chance fanden kaum Gehör.

Manaus Behörden und Beamte kommen an Bord / Foto: madle-fotowelt.de

Kurswechsel in Manaus

Unter dem „Schutz“ der Marine liefen wir in Manaus ein. Die Marineboote blieben während unserer gesamten Liegezeit präsent. Am Morgen versammelten sich die Amtsträger vor dem Schiff und machten erst einmal ein paar Bilder von sich. Dann kamen die Behördenvertreter an Bord. Was diese hier prüften entzieht sich unserer Kenntnis. Beim Verlassen des Schiffes waren wir der Meinung ein Kopfschütteln bei den Männern zu sehen. Im Nachhinein erfuhren wir, dass das Schiff durchaus als gesund klassifiziert wurde. Der Gouverneur hatte seine Meinung jedoch nicht geändert. Aus dem Kreuzfahrtschiff war ein Transportschiff geworden.

Glücklicherweise durften wir Verpflegung laden und den Müll entsorgen, immer mit dem uns bekannten Marineboot in Sichtweite. Dann begann unsere Rückreise flussabwärts nach Belem um letztmalig Treibstoff zu Bunkern.

Beim Passieren von Santarem erlebten wir einen traumhaften Sonnenuntergang, so als wollte uns der Amazonas zurufen: „Es tut mir leid, behaltet mich trotzdem in schöner Erinnerung.“

Sonnenuntergang in Santarem von MS Amera / Foto: madle-fotowelt.de

Treibstoff bunkern auf brasilianisch

Am Mittag des 22. März erreichten wir Belem. Hier sollten mit zwei Bargen knapp 800 Tonnen Treibstoff gebunkert werden. Die erste Barge lag bei unserer Ankunft bereits in Sichtweite und machte kurz darauf an Steuerbord fest. Am Abend war der Vorgang beendet, doch von der zweiten Barge fehlte jede Spur. Wir wurden informiert, dass die Betankung am Folgetag fortgesetzt würde. Der Tag verstrich mehr und mehr. Am späten Abend des 23. März konnten wir die Positionslichter der zweiten Barge erkennen. Das Schiff machte kurz nach Mitternacht fest. Eine Bunkerfirma in der Heimat würde dieses sicher belächeln. Brasilianische Gelassenheit? Wir wissen es nicht, doch uns wurde so ein weiterer Tag geschenkt.

Bunker Barge an MS Amera in Belem / Foto: madle-fotowelt.de

Volle Kraft voraus – Kurs Nord-Ost

Am Morgen des 24. März verließen wir Brasilien. Laut Ansage von der Brücke würden wir zunächst Kurs Nord-Ost mit Höchstgeschwindigkeit laufen, bis wir wieder Land in Reichweite hätten. So liefen wir sechs Tage mit mehr als 18 Knoten Richtung Kapverden und nach einer Kurzkorrektur weiter in Richtung der Kanarischen Inseln, welche wir am 7. Tag passiert hatten.

Die Reisegeschwindigkeit wurde ab hier auf 16 Knoten reduziert und der Kurs Richtung Spanien geändert.

Bordleben an Bord der MS Amera auf dem Atlantik von Brasilien nach Bremerhaven / Foto: madle-fotowelt.de

Was änderte sich am Bordleben

Kurz gesagt – fast nichts Spürbares. Im Amera Restaurant gab es kein Frühstückbuffet mehr. Die Gäste wurden gebeten das Ocean Restaurant am Heck zu nutzen, welches durchaus ausreichend war.

Bei den Reisenden kehrte eine neue Routine ein. Jeder fand für sich einen neuen Tagesablauf. Waren es bis Manaus wenige, welche sich beim Laufsport auf dem Promenadendeck tummelten, wuchs in der Folge die Teilnehmerzahl beachtlich.

Andere sammelten sich in Gesprächsgruppen zu Themen aus aller Welt, wieder andere nutzten das Angebot an Kartenspieltournieren. Nach wie vor gab es ein vollgepacktes Tagesprogramm. Es herrschte eine ruhige Gruppendynamik.

Auch das Showprogramm war in Manaus für den Reiseabschnitt eigentlich abgeschlossen. Das Phoenix-Team und die Ensembles stellten jedoch in kürzester Zeit Alternativen auf die Beine. Die neue Tagesroutine wurde somit aufgelockert. Wer etwas unternehmen wollte hatte hierzu die Chance. Wer Ruhe brauchte fand seine Räume.

Bernd Wallisch mit Verrückt nach Meer Team / Foto: madle-fotowelt.de

Und dann war da noch …

Auch das TV-Team war natürlich an Bord geblieben und drehte unermüdlich weitere Szenen für ‚Verrückt nach Meer‘. Delfine und fliegende Fische konnten beobachtet werden. Die Themenabende wurden nach wie vor eingeplant und fanden statt. Die Musiker performten weiter in den Bars. Bingo und co waren gefragter als je zuvor und die Phoenix-Lounge war oft bis auf den letzten Platz besucht.

Highlight waren hierbei auch die Fragestunden z.B. an das Brücken- und TV-Team.

Ab und an wurden Veranstaltungen verschoben, wenn das Wetter nicht mitspielte. Egal – wir hatten ja Zeit und sind dankbar für den unermüdlichen Einsatz aller Crewmitglieder, sowie dem fast unerschöpflichen Ideenreichtum des Phoenix Teams.

Das Internet an Bord wurde freigeschaltet. Im TV gab es plötzlich mehr Kanäle mit Spielfilmen. Neben der Tagesschau wurden nun auch die Tagesthemen gezeigt. So konnten sich die Gäste, neben den Informationen über die Brücke, auch besser ihr eigenes Bild über die Lage in der Heimat machen. Und die war deutlich schlimmer als bei uns an Bord der MS Amera.

Es hatte sich an Bord fast nichts geändert und doch irgendwie alles.

Und wie war es mit den Nachrichten aus der Heimat?

Die Nachrichten von zu Hause wurden genau beobachtet. Wir erinnern zum Beispiel die Balkonkonzerte, welche auch an Bord übernommen wurden. Täglich um 17 Uhr gab es einen emotionalen Song mit der Geschichte eines Gastes zum Titel.

Auch verfolgten wir die Situation auf den Schwesterschiffen, insbesondere auf der MS Artania. Für die Gäste und Crew im fernen Australien zeichneten wir mit dem TV-Team sogar eine Videobotschaft auf. Die zwischenzeitlichen Meldungen trafen auf große Anteilnahme, nicht nur bei den Passagieren. Gerade die Crew zeigte sich sehr betroffen, wie wir in Gesprächen hörten, wenngleich hierunter nicht das Engagement litt. So nahmen wir mit Erleichterung zur Kenntnis, dass die Maschinen der Condor mit den Passagieren sicher in Frankfurt gelandet waren. An dieser Stelle alles Gute den verbliebenen Passagieren und der gesamten Crew.

Gruss von der MS Amera vom Atlantik zur MS Artania nach Australien / Foto: madle-fotowelt.de

Was bringt uns die Zukunft?

Noch vier Tage bis zum Ziel – Wie wird unsere Zukunft aussehen? Zum jetzigen Zeitpunkt ist bekannt, dass wir am Sonntag den 05. April 2020 Bremerhaven erreichen und gegen 11:00 Uhr anlegen werden.

Und danach … Die Gäste werden mit Bussen in die Heimat gebracht oder besser ausgedrückt an Absetzorte. Die letzte Meile bis nach Hause soll so kurz wie möglich sein.

Und wieder sind wir bei den Diskussionsthemen. Welche neue Welt erwartet uns? Was hat sich geändert? Wie wird es sich anfühlen in dieser neuen Situation, welche wir nur aus Berichten und den Nachrichten kennen? Die Angehörigen in der Heimat sind in den vergangenen Wochen in das neue Leben hineingewachsen.

Wie schnell werden wir uns anpassen können?

Wenn wir schon wieder zu Hause sind, werden unsere Gedanken sicher noch lange Zeit bei der Crew sein. Die Zukunft unserer Arche Amera, welche uns sicher nach Hause brachte und die gesamte Phoenix – Hochsee- und Flussschifffahrt werden wir weiter verfolgen und in guter Erinnerung behalten. Wir waren sehr froh, dass wir an Bord der MS Amera von Brasilien nach Bremerhaven fahren konnten und keine ungewisse Flug-Rückreise antreten mussten, in einer Zeit in der es bereits zu großen Problemen auf internationalen Flughägfen gekommen ist. Wir waren ebenso froh, dass wir nicht in irgend einem Hafen am anderen Ende der Welt „ausgesetzt“ wurden, wie es viele andere Reedereien mit ihren Gästen gemacht haben, sondern sicher nach Bremerhaven fahren konnten.

Jürgen Scholüke
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