Benjamin Krumpen von Phoenix Reisen im Interview

Benjamin Krumpen mit seiner Frau Sarah
Benjamin Krumpen mit seiner Frau Sarah

Phoenix Reisen: Geschäftsführer Benjamin Krumpen im Interview

Ursprünglich hatten wir, als Abschluss unserer Reisereportage an Bord der MS Amera im März dieses Jahres, ein Interview mit dem Hoteldirektor Christoph Schädel geplant. Die Ereignisse haben sich schließlich überschlagen und zu längeren Verzögerungen geführt. Heute, ein knappes halbes Jahr nach unserer Rückkehr, erscheinen uns Fragen in Bezug auf die damalige Kreuzfahrt nicht mehr aktuell.

Nach unserer Anfrage bei Phoenix Reisen hatte sich der Geschäftsführer Benjamin Krumpen zu einem Interview bereit erklärt. Wir haben bewusst auch kritische Fragen gestellt, welche die Phoenix-Fangemeinde derzeit beschäftigen.

MS Amera auf Reede / Foto: madle-fotowelt

CS: Mit dem weltweiten Lockdown des Reiseverkehrs endeten im Frühjahr alle Reisen der Phoenix-Hochseeflotte. Darüber hinaus konnten Flusskreuzfahrten nicht wie geplant im März beginnen. Unsere Redaktion war bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Meinung, dass Flussreisen in Deutschland zuerst wieder beginnen können. Wann begannen bei Phoenix Reisen die Planungen für einen Restart und auf welchen Grundlagen wurden die Konzepte entwickelt?

Benjamin Krumpen: Wir haben ja nie wirklich aufgehört zu planen und zu organisieren. Phoenix Reisen ist auf die Zukunft ausgerichtet und so war für uns auch beim Lockdown ganz klar, gemeinsam mit unseren langjährigen Partnern nach Alternativen zu suchen. Wir haben für den Fluss ein hervorragendes Hygiene- und Sicherheitskonzept entwickelt und sind seit Juni auf einigen Flüssen in Europa wieder unterwegs. Die Crew musste nicht aufwändig eingearbeitet werden, denn natürlich wird an Bord seit jeher Hygiene und Sicherheit großgeschrieben.

CS: Es liegt eine turbulente Zeit hinter uns allen, welcher Moment war der schlimmste und welcher der schönste Moment, aus Sicht von Phoenix Reisen, in den letzten 6 Monaten?

Benjamin Krumpen: Vermeintlich schlimme Momente gab es in den letzten Monaten viele, der lockdown war einer davon, aber natürlich hat uns persönlich am meisten getroffen, dass an Bord von MS Artania Coronafälle aufgetaucht und drei Menschen in Folge verstorben sind. 
Aber auch schöne Momente hat es immer wieder gegeben und wird es auch geben. Corona hat bewiesen, dass die familiäre Atmosphäre bei Phoenix Reisen wirklich gegeben ist, der Zusammenhalt aller Kollegen und der Reiseleiter ist toll und wir sind stolz darauf, dass wir alle Crewmitglieder zu ihren Familien bringen konnten.

MS Amelia auf der Donau / Foto: madle-fotowelt

CS: Könnten die bisher gemachten Erfahrungen vom Fluss teilweise oder ganz in den Hochseebereich übernommen werden?

Benjamin Krumpen: Fluss- und Hochseeschiffe unterscheiden sich ja nicht nur in der Größe, sondern natürlich auch in gewissen Abläufen. Die gesammelten Erfahrungen auf dem Fluss werden mit auf die Hochseeschiffe genommen. Nicht zuletzt ist aber auch mitentscheidend, dass unsere Hochseeschiffe weltweit eingesetzt werden und dies eine größere Herausforderung darstellt, als eine Flusskreuzfahrt auf dem Rhein unter heutigen Bedingungen zu organisieren.

CS: In einem Interview, zur Taufe der MS Amera, sagten Sie einmal, das Schiff diene der Erweiterung der Kapazität und der Deckung der gestiegenen Nachfrage besonders für Gebiete, in welche die größere Schiffe nicht fahren können. Wie stellt sich die Situation heute dar?

Benjamin Krumpen: Im Großen und Ganzen stimmt das auch heute so. Ich bin überzeugt davon, dass jetzt und auch nach Corona kleinere Schiffe wie die unsrigen vielen Anforderungen besser gewachsen sind als große Megaliner.

CS: Wir fragen uns, ob die Albatros nach der angekündigten Ausflottung ihrer Schwestern (Black Watch & Boudicca) bei der britischen Fred. Olsen Cruise Lines, noch ihren 50ten Geburtstag in der Flotte von Phoenix Reisen feiern darf?

Benjamin Krumpen: Leider habe ich keine Glaskugel für das Jahr 2022. Ich wünsche der Albatros, ihren Gästen und mir, dass wir den Geburtstag gemeinsam feiern können. Trotzdem muss man natürlich bedenken, dass die Wirtschaftlichkeit unseres Unternehmens und seine Zukunft, auch für alle Kollegen an Land und auf See, oberste Priorität hat. Viele unternehmerische Entscheidungen, nicht nur bei uns, orientieren sich auch am andauernden Zeitraum der coronabedingten Zustände.

CS: Wie stehen die Chancen, dass die beliebte MS Deutschland im Sommer 2021 wieder in die Flotte von Phoenix Reisen zurückkehrt?

Benjamin Krumpen: Wir haben einen bestehenden Vertrag mit der Reederei bis 2025. Wenn Corona es zulässt, und davon gehen wir aus, fahren wir im nächsten Sommer wieder mit MS Deutschland.

MS Deutschland / Foto: madle-fotowelt

CS: Welche Gründe gibt es für die Schiffsbewegungen zwischen Bremerhaven und Emden?

Benjamin Krumpen: Die Reederei BSM hat diverse Optionen für unsere Hochseeschiffe erarbeitet, anfänglich war das natürlich aufgrund der vorherrschenden Situation nicht immer ganz einfach, so dass im Verlauf der letzten Monate das ein oder andere Schiff nochmals seinen Liegeplatz verändert hat.

CS: Wie sieht es mit den geplanten Neubauten auf dem Fluss aus, viele Werften kündigen Verspätungen an, gibt es auch bei Phoenix Reisen Änderungen bzw. Verschiebungen?

Benjamin Krumpen: Wir haben die Indienststellung der Neubauten MS Annika (kommt jetzt März 2021) und MS Antonia (kommt jetzt Juni 2021) in Absprache mit der Reederei und der Werft jeweils um sechs Monate nach hinten verlegt. Das war richtig. Jetzt wissen wir, dass Flussreisen auch mit den neuen Bedingungen sehr gut funktionieren. Der Neubau MS Annabelle wird pünktlich im März 2021 auf der Rhône zum Einsatz kommen.

CS: Phoenix Reisen ist ein gut aufgestelltes Unternehmen, welches über die Jahre gesund gewachsen ist. Dennoch kosten insbesondere die Hochseeschiffe monatlich viele Millionen Euro, die finanziert werden müssen. Wer übernimmt diese Finanzierung bzw. wie viele Millionen Euro kostet ein einziges, nicht fahrendes (aufliegendes) Schiff im Monat?

Benjamin Krumpen: Jedes einzelne Schiff kostet etwa 1,5 Millionen Euro pro Monat. Das zu tragen ist gemeinsam mit der Reederei möglich, weil wir eine Eigenkapitalquote von 50% haben. Wir sind solide finanziert und haben in all den Jahren das Geld in der Firma gelassen. Wir haben uns vorsichtshalber einen KFW Kredit geholt, den wir bisher nicht in Anspruch nehmen, aber wahrscheinlich müssen.

CS: Wie viele Besatzungsmitglieder befinden sich derzeit noch auf den Hochseeschiffen?

Benjamin Krumpen: Eine sogenannte Skeletoncrew besteht für gewöhnlich aus ca. 35 bis 60 Crewmitgliedern je nach Schiff.

CS: Wie lang wäre die Vorlaufzeit, um eines oder mehrere Schiffe der Hochseeflotte wieder Betriebsbereit zu machen? In welcher Phase befinden sich die Hochseeschiffe?

Benjamin Krumpen: Alle Phoenix-Hochseeschiffe werden von den Crews tagesaktuell gewartet, so dass wir im Grunde genommen mit kurzer Vorlaufzeit loslegen könnten. Natürlich müsste noch die Crew an Bord kommen und vor allem auch Gäste (*lacht*), deshalb braucht es doch ein paar Tage, bis alle ihre Koffer gepackt haben.

CS: Es gibt große Reedereien/Mitbewerber in Deutschland, bei denen hat man während der Krise einfach die Telefone abgestellt und sowohl Kunden als auch Agenturen konnten über einen langen Zeitraum niemanden in der Reedereizentrale erreichen. Die Verärgerung darüber war in der Öffentlichkeit groß. Bei Phoenix Reisen lief das völlig anders. Wie haben Sie bzw. Ihre Mitarbeiter und Ihr Team es geschafft, nahezu immer für alle Kunden, Partner und Agenturen erreichbar zu sein?

Benjamin Krumpen: Hier hat sich wieder einmal bewährt, dass wir keine aufgeblasenen Konzernstrukturen haben, sondern ein familiäres und kollegiales Miteinander. In der heißen Phase haben ganz viele Kollegen, die normalerweise nicht im Verkauf tätig sind, auch zum Telefon gegriffen, um Anrufern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Nicht ans Telefon zu gehen oder keine e-mails zu beantworten, wäre für uns niemals in Betracht gekommen. Wenn ich als Kunde Sorgen oder Bedenken habe, möchte ich auch, dass mir geholfen wird. Wie könnte ich es als Dienstleister also anders gestalten ohne schlechtes Gewissen meinen Gästen gegenüber?!

CS: Die Kundenzufriedenheit während des Höhepunktes der Krise, also jenem Zeitpunkt als viele Tausend Kunden storniert oder umgebucht werden mussten, war ausgesprochen hoch. Umbuchungen wurden prompt erledigt, Geldrückzahlungen von Stornierungen umgehend beglichen. In den sozialen Netzwerken sprach man von sehr viel Professionalität und Kulanz. Gibt es ein besonderes Krisenmanagement oder ist es einfach die Phoenix-Philosophie, so zu handeln?

Benjamin Krumpen: Ganz genau das ist es, unsere Philosophie. Nah am Gast und fair im Umgang. Wir meinen, dass unsere Gäste eine solche Behandlung verdient haben und die Reaktionen zeigen uns auch ganz eindeutig, dass das der einzig richtige Weg ist.

Wieder Fahrt aufnehmen / Foto: madle-fotowelt

CS: Zum Abschluss die Frage, welche wohl derzeit alle Reisenden und Phoenix-Fans ganz besonders interessiert: „Gibt es bereits eine Planung zum ggf. teilweisen Restart im Hochsee-Bereich? Werden vielleicht „blaue Reisen“ durchgeführt, also Reisen ohne dass Häfen angelaufen werden?

Benjamin Krumpen: „Blaue Reisen“ kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt für uns nicht vorstellen. So lange Hochseekreuzfahrten schwierig umzusetzen sind, ist es doch für alle Crewmitglieder besser, bei ihren Familien zu sein. Und trotzdem stehen wir natürlich in den Startlöchern. Anfang Oktober bringen wir eine Sonderausgabe unseres Kataloges „Seereisen 2021“ mit einigen Veränderungen raus. Seien Sie gespannt, schauen Sie rein und kommen an Bord! „Willkommen an Bord! – Willkommen zu Hause!“ wird es auch zukünftig weiterhin heißen!

Wir bedanken uns, bei Benjamin Krumpen, für die offenen Worte und die Beantwortung zum Teil kritischer Fragen. Ihm und dem gesamten Phoenix – Team wünschen wir alles Gute. Bis bald auf den Meeren und Flüssen dieser Welt!

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Jürgen Scholüke
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